10.09.2016 | Anke Braun

Herbstthema 2016

Alte Apfelsorten und ihre Reifezeit

Die "Klassiker" auf der Streuobstwiese

Dieses Jahr beschäftigen wir uns in unserem Herbstthema mit einigen Sorten, die auf den Streuobstwiesen des Odenwaldes zu finden sind. Wir bezeichnen sie als "Alte Sorten", da sie aus einer Zeit vor der systematischen Obstzüchtung stammen. Einige sind seit Jahrhunderten bekannt und es wird vermutet, dass ihr Ursprung bis ins Mittelalter oder darüber hinaus zurückreicht. Andere wiederum stammen aus der Zeit der ersten gezielten Kombinationskreuzungen Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert.

Brettacher

Wir beschreiben in unserem Sortenflyer 15 dieser Alten Sorten in ihrem typischen Erscheinungsbild, mit Verwendungseignung und Reifezeitpunkt. Betrachtet werden Apfelhochstämme, die sich für die Streuobstwiesen eignen und die wir aus unserer Umgebung kennen.
Sortenbeschreibung: kraemer-herbstflyer-2016-alte-apfelsorten.pdf

Vorzüge alter Sorten

Ein Vorzug der alten Sorten ist die Diversität in Geschmack und Nutzungsmöglichkeit. Eine Vielfalt an Aromen und Fruchteigenschaften ermöglichen unterschiedlichste Verwendungszwecke als Tafelapfel, Backapfel, Mostapfel oder als Apfel zum Einkochen und Dörren.
Bei der Herstellung von Apfelsaft und Apfelwein spielt diese Vielfalt eine Große Rolle. Neben den sortentypisch wohlschmeckenden und süßeren Äpfeln sind auch die säurereichen, bitterstoffhaltigen Wirtschaftsobstsorten wichtig, die in der Gesamtheit der verarbeiteten Äpfel bei Saft und Wein für ein ausgewogenes Säure-Zucker-Verhältnis und einen vollmundigen Geschmack sorgen.

Berner Rosenapfel / Foto – Hans Vogler

Für säuerliche oder auch leicht bittere Geschmacksnoten sind abgesehen von den Fruchtsäuren Inhaltsstoffe wie Pflanzenphenole verantwortlich. Sie können eine leicht zusammenziehende Wirkung haben, die meist durch Phenolsäure ausgelöst wird. Sie regeln unter anderem die Oxidation der Früchte bei Anschnitt, die Braunfärbung - da dies bei modernen Züchtungen unerwünscht ist, sindPhenole weitestgehend aus der Frucht herausgezüchtet. Auf die menschliche Gesundheit haben die Phenole eine positive Auswirkung. Vor allem die Flavonoide haben eine antioxidative Wirkung. In Untersuchungen zu Apfelallergien wird ein Zusammenhang von allergischer Wirkung bestimmter Apfelsorten und dem entgegen der Verträglichkeit von Sorten mit hohen Polyphenolanteilen bei Allergikern beobachtet.

Die neueren Züchtungen gängiger moderner seit 1920 gezüchteten Sorten haben gemeinsam, dass sie Nachfahren einer oder mehrerer von nur 6 verschiedenen Stammsorten sind. Sie sind als Einkreuzungen, oft mehrfach, in fast 500 modernen Apfelsorten zu finden. Dies führt zu einer genetischen Verarmung. Die „Alten Sorten“ waren auf vielen Wegen nach Europa gekommen und mit immer neuen Sorten aus dem Ausland erweitert. Sie stellen ein genetisches Potential dar, das über Jahrhunderte hinweg von unseren Vorfahren selektiert und entwickelt wurde. Ausgestattet mit einer Vielfalt an Baumeigenschaften und Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten, die zudem meist polygen im genetischen Erbgut veranlagt sind. Bei neueren Züchtungen liegen die Resistenzen auf wenigen oder einzelnen Genen und sind leichter vom Schaderreger zu durchbrechen.
Für die Zukunft ist die Vielfalt an genetischem Material der „alten Sorten" von großer Bedeutung für die Züchtung neuer gesunder Sorten. Mit dem großen genetischen Schatz der Sortenvielfalt kann auch neuen Anforderungen an unsere Obstbäume begegnet werden.

Unterscheidung in Tafeläpfel, Wirtschaftsäpfel - Lageräpfel, Mostsorten

Tafeläpfel sind Äpfel, die aufgrund ihrer guten Eigenschaften direkt und ohne weitere Zubereitung verzehrt werden können. Es sind meist Äpfel von gutem Geschmack, aromatisch und angenehm von den Eigenschaften des Fruchtfleisches.

Verarbeitung Wirtschaftsäpfel / Foto – Claudia Mayer

Wirtschaftsobst bezeichnet Obst, welches weiter verarbeitet wird oder als Tafelobst nicht geeignet ist, wie z. Bsp. auch Fallobst. Es wird im Haushalt genutzt zum Kochen, Backen oder Haltbarmachen sowie weiter zu Saft oder Wein verarbeitet oder auch als Tierfutter verfüttert.
Lagerobst kann Tafel- oder Wirtschaftsobst sein – es muss nur lagerfähig sein, d.h. seine Eigenschaften bei Einlagerung über mehrere Wochen oder Monate behalten. Mancher Lagerapfel entfaltet sein volles Aroma auch erst auf dem Lager.
Reines Mostobst bezeichnet Sorten, die aufgrund ihres Geschmackes oder der Fruchteigenschaften sich für die Herstellung von Apfelsaft oder Apfelwein oder auch zum Brennen eignet. Hier werden gerne auch säure- oder phenolhaltige Sorten verwendet, die - wie schon beschrieben - vor allem dem Apfelwein einen besonderen Geschmack verleihen.

Erkennen der Apfelreife

Die Reifezeit des Apfels kann durch unterschiedliche Kriterien bestimmt werden:

  • eine gute Fruchtreife ist äußerlich an der Grundfarbe der Früchte festzustellen. Sie ändert sich von blaugrün bei Unreife in gelblich grün bis gelb bei Reife; die Deckfarbe von bläulich rot, rotbraun zu einem kräftigen rot oder hellrot.
  • im Inneren sind die Samenkerne bei Reife braun bis dunkelbraun gefärbt
  • das Fruchtfleisch wird gelblich oder weiß – bei Unreife ist es grünlich
  • die Baumreife ist erreicht, wenn die Frucht sich gut vom Ast lösen lässt.
  • die Stärke ist bis zur Reife größtenteils abgebaut und beim Stärketest am aufgeschnittenen Apfel nur noch im Bereich der Schale vorhanden. Der Stärkegehalt der Früchte kann über einen Test festgestellt werde
  • grasiger bis pelziger Geschmack bei Unreife - sortentypisches Aroma bei Reife
Berlepsch aufgeschnitten, Kerne braun gefärbt / Foto – Klaus Speckhardt

Der Geschmack ist bei Unreife als grasig zu bezeichnen, das Aroma ebenso. Bei fortschreitender Reife wird der Geschmack neutral bis im Apfel zur Reifezeit das sortentypische Aroma ausgebildet wird. Da der Zuckergehalt im Apfel bei Reife aufgrund des Stärkeumbaus am höchsten ist, fördert dies ebenso einen angenehmen Geschmack zur Reifezeit. Bei Lagerung der Früchte kann je nach Sorte mit einem gewissen Anteil an Stärke geerntet werden. Der Umbau der Reststärke in Zucker findet auf dem Lager statt. In der Verarbeitung zu Saft und Wein ist Stärke in nicht umgebauter Form nachteilig. In Verbindung mit Eiweißanteilen des Apfels kann dies zu einer nachträglichen Trübung führen. Zudem fehlt dem Saft der Zucker und die Saftausbeute ist geringer.

Nicht zu verwechseln mit Reife ist der vorzeitige Fall von Äpfeln, die bereits einen Schaden haben, bspw. durch Insekten oder durch einen Sonnenbrand. Dieser vorzeitige Fruchtfall kann unter Umständen auch erst spät erfolgen, ist jedoch nicht zwingend ein Zeichen von Fruchtreife.

Wichtigkeit von Reifezeit

Ertrag: Das Fruchtwachstum der Äpfel hält an bis zur Baumreife, d.h. dem Zeitpunkt zu dem der Apfel von alleine fällt oder sich leicht vom Baum lösen lässt. Das bedeutet bei einer frühzeitigen Ernte einen Verlust an Ertrag. Einzig Temperaturen unter 10°C schränken das Wachstum der Äpfel ein.

Geschmack und Aroma: Die Stoffwechselvorgänge im Apfel sind verantwortlich für die innere Reife der Äpfel. Nach Erreichen eines Höhepunktes der Inneren Prozesse – die sogenannte Klimax - wandeln sich aufbauende Vorgänge in abbauende um. Zu diesem Zeitpunkt findet die stärkste Aromaausbildung statt. Ein zu frühes Pflücken bedeutet eine Minderung des Aromas. Die Früchte bilden sogar noch über diesen Zeitpunkt hinaus bis zur Baumreife – den Zeitpunkt, zu dem sich die Früchte leicht vom Baum lösen lassen - Aroma aus. Sollen Äpfel direkt verzehrt oder verarbeitet werden, so sollten sie bestenfalls bei Erreichen des Maximums der inneren Prozesse oder sogar danach – bei Baumreife – geerntet werden. Für die Lagerung von Äpfeln bietet sich ein Pflücken kurz vor Erreichen der Klimax an. Die Lagerfähigkeit ist dann bei ausreichender Aromaausbildung gut. Aber auch für die Lagerung gilt, dass sich ein zu frühes Ernten ungünstig auswirkt – abgesehen von grasigem Geschmack können die Äpfel hierbei auf dem Lager vorzeitig schrumpfen und sind anfälliger für Stippigkeit und Schalenbräune.

Inhaltsstoffe: Das Zuckermaximum im Apfel ist bei Baumreife erreicht – zu diesem Zeitpunkt sind die Sim Apfel enthaltenen Stärken größtenteils zu Zucker umgewandelt und es kann sich ein geschmacklich angengehmes Zucker-Säure-Verhältnis einstellen. Vitamin C in Form von Ascorbinsäure steigt bis zur Ernte an und ist umso höher in der Frucht, je mehr besonnte Blätter am Baum zur Verfügung stehen. Ein Kriterium für ausreichende Abstände zwischen den Bäumen und Pflegemaßnahmen wie regelmäßiges Schneiden.

Entstehung der Sorten

Namentlich bezeichnete Sorten waren bereits Jahrhunderte v. Chr. bekannt – sie wurden nach ihrem Standort oder dem Besitzer benannt. Die Vermehrung erfolgte zunächst nur generativ, d.h. mittels Sämlingsvermehrung oder Auslese. Greift man auf diese Art der Vermehrung zurück, führt das jedoch fast ausschließlich zu genetisch neuen Individuen, da die Muttersorte bekannt ist, der Pollenspender aber in der Regel nicht. Trotz Weiterführung des Namens kam es also zu unterschiedlichen Eigenschaften der Sorten innerhalb eines „Sortennamens“.
Die heute gebräuchliche vegetative Vermehrung bestimmter Kultursorten mittels Veredelung war bei uns erst in späterer Zeit bekannt. Bereits bei den Persern und Syrern war der Obstbau Teil der Kultur. Von dort aus wurde das Wissen nach Griechenland und später zu den Römern verbreitet. Die Römer waren vertraut mit der Vermehrung durch Pfropfen und Okulieren und führten ihre Kultursorten in Gallien und Germanien ein. Unsere in Europa angebauten Apfelsorten werden zum größten Teil durch das genetische Erbe dieser Sorten bestimmt. Bei der Veredelung werden definierte Partner gezielt zusammengefügt. Eine Unterlage, die ausschließlich für den Wurzelaufbau zuständig ist, wird mit einem einjährigen Trieb der gewünschten Edelsorte ca. 10-15 cm über dem Wurzelstock veredelt. Die Edelsorte ist zumeist für den Stamm und den Kronenaufbau zuständig.

Veredelung durch Kopulation – Wikipedia

Für die hier betrachtete Baumform der Hochstämme in extensiv genutzten Streuobstwiesen kommt bestenfalls eine Sämlingsunterlage mit den entsprechenden Eigenschaften zum Einsatz. Sie sorgt für ein gesundes Wachstum, eine starke Verwurzelung in der Erde und somit eine gute Versorgung von Baum und Früchten aufgrund ihrer tiefen Wurzelgründung. Sie ist zudem mitverantwortlich für Wuchsstärke, Lebensdauer des Baumes, die Fruchtgröße und sogar deren Inhaltsstoffe wie bspw. den Säuregehalt der Früchte.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde begonnen, bewusste Kreuzungen herbeizuführen, sogenannte Kombinationszüchtung. Ausgewählte Muttersorten werden mit ausgewählten Vatersorten befruchtet, um gezielt Eigenschaften der Elternsorten in die Nachkommen einzuzüchten. Es war der Beginn einer systematischen Obstzüchtung, wie sie dann seit Beginn des 20. Jahrhunderts weitergeführt wurde.

Bei unserer Auswahl haben wir uns bewusst für die "Alten Sorten" entschieden, die schon lange auf unseren Streuobstwiesen als Apfelhochstämme heimisch sind und den Anforderungen einer extensiven Bewirtschaftung gewachsen sind. Zudem wollen wir einen Beitrag leisten zum Erhalt einer Sortenvielfalt, die über die im Handel zu erwerbenden und im Erwerbsobstbau angebauten Sorten hinausgeht.

Wir bedanken uns ganz herzlich für die Unterstützung mit Bildern und Anregungen zum Thema bei Hans Vogler, Claudia Mayer, Jonathan Jekel, Fam. Speckhardt und Theo Groh, von dessen Streuobstwiesen einige der Bilder stammen. Sie gaben uns die Möglichkeit, alle Sorten auch im Bild zu beschreiben.

Wenn Sie in diesem Jahr Interesse haben, bei unserer Streuobstaktion teilzunehmen und junge Apfelhochstämme für Ihre Streuobstwiese bei uns bestellen möchten, folgen Sie diesem Link: Streuobstaktion


Quellen:
Fischer, Manfred: Farbatlas Obstsorten, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1993
Hartmann, Walter und Fitz, Eckhart: Farbatlas Alte Obstsorten, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2008
Grill, Dieter und Keppel, Herbert: Alte Apfel- und Birnensorten für den Streuobstbau, Verlag Stocker 2014
Obst- und Gartenbauverlag: Altbewährte Apfel- und Birnensorten, München, 2011
Votteler, Willi: Verzeichnis der Apfel- und Birnensorten, Obst und Gartenbauverlag, München, 2014
Stoll, Karl: Der Apfel, Inhaltsstoffe - Fruchtaufbau – Qualitätserkennung, Verlag: Enrico Negri AG, Zürich (CH), 1997