Herbstthema 2021
Anlage einer Streuobstwiese
Ein praktischer Ratgeber für die ersten Schritte
Streuobstwiesen prägen unser Landschaftsbild, bieten Erholung, gesundes Obst und sind Grundlage für die Herstellung von Saft oder Wein. Neben dem Vorteil für uns Menschen geben sie zudem über 5000 Tier- und Pflanzenarten Lebensraum und haben hierdurch eine wichtige ökologische Bedeutung - vor allem für den Erhalt der Biodiversität. Viele dieser Arten stehen auf der roten Liste und sind vom Aussterben bedroht. Streuobstwiesen sind vor allem für Vögel, Fledermäuse, Insekten, Spinnen sowie Moose und Flechten besonders wichtig. Es erfordert viel Engagement, Zeit, Energie und Wissen, diese Kulturlandschaft zu erhalten, bestehende Wiesen zu erweitern oder neue anzulegen. Zur Unterstützung aller Interessierten soll dieser Flyer einen Leitfaden für die Anlage einer Streuobstwiese als praxisnahe Umsetzungshilfe darstellen.
Standortwahl und Bodenbeschaffenheit
Grundlage für die Anlage einer Streuobstwiese ist zunächst die Standortwahl. Geeignet sind Grünland- oder Ackerflächen in ebenen, leicht hangigen, sonnigen und wenn möglich windgeschützten Lagen. Steile Hänge erschweren sowohl Baumpflege, Bewässerung als auch Ernte. Zu vermeiden sind geschlossene, verschattete Lagen mit zu geriger Abtrocknung von Blattwerk und Ästen bei Feuchtigkeit. Hier steigt die Anfälligkeit für Schorf- oder Mehltauerkrankungen sowie weitere Pilzinfektionen, die sich über die Fruchtschädigung hinaus auch baumschädigend auswirken können. Dies gilt ebenso für beschattete Standorte in enger Tallage oder unmittelbarer Nähe zu Wäldern oder Hecken.
Wichtige Faktoren im Hinblick auf eine Standortwahl sind Bodenbeschaffenheit und Nährstoffgehalt des Bodens. Für ein gutes Pflanzenwachstum ist der Zustand des Bodens hinsichtlich Mikroorganismen und der verfügbaren Nährstoffe entscheidend. Eine optimale Grundlage bieten tiefgründige, humose und gut durchlüftete Böden ohne Steinschichten, die gut durchwurzelbar sind. Apfelbäume gelten jedoch allgemein als anpassungsfähig und kommen auch mit erschwerten Bodenverhältnissen zurecht. Extreme wie große Trockenheit oder Staunässe sollten aber möglichst vermieden werden und sind gefährdend für die Baumgesundheit einzustufen. Bei einer mäßigen Ausprägung eines ungeeigneten Standortes kann Abhilfe geschaffen werden.
Bodenarten
Lehm- und Schluffböden haben bei einer idealen Zusammensetzung von Ton und Humus/Kalk eine gute stabile Krümelstruktur. Sie gehören auch zu den ertragsreichsten Böden, denn sie werden ausreichend belüftet und können Wasser und Nährstoffe gut speichern. Außerdem erwärmen sich Lehm- und Schluffböden leicht und trocknen nach Nässeperioden schnell ab. Tonböden sind nur mäßig bis schlecht belüftet, besitzen eine geringe Fähigkeit Wasser zu leiten und neigen zu Vernässung. Sie verfügen jedoch über ein hohes Nährstoffbindungsverfügen und Nährstoffreserven. Durch die Bodenzusammensetzung aus sehr kleinen Partikeln verdichten sich reine Lehmböden bei starker Belastung, wie beispielsweise bei der Bearbeitung mit schweren Geräten, leicht. Sandböden sind gut durchlüftet, können jedoch nur wenig Wasser und Nährstoffe speichern. Problematisch sind hier die erhöhte Auswaschung der Nährstoffe und der intensive Abbau organischer Substanzen.
Magere, trockene und steinige Böden sind für Obstbäume ungeeignet. Solche Standorte sind an einer niedrigen, oft kraut- und blütenreichen Vegetation mit geringer Bodenauflage zu erkennen. Ist die Erde zu sandig, kann Lehm oder Tonerde zur Verbesserung von Wasserkapazität und Nährstoffversorgung eingearbeitet werden. Staunasse, schwere, schlecht durchlüftete oder auch verdichtete Böden begünstigen Pilzkrankheiten wie beispielsweise ein Befall der Bäume mit Obstbaumkrebs. Feuchtigkeit und Staunässe werden häufig durch wasserundurchlässige Ortsteinschichten oder eine Sperrschicht aus Lehm verursacht. Diese Schichten sollten vor der Pflanzung durchbrochen und aufgelockert werden. Bei mäßiger Staunässe kann stark tonhaltig oder lehmiger Boden im Pflanzbereich mit Sand und stark humoser Erde aufgelockert werden. Stellen mit zu starker Staunässe erkennt man an Wachstum von Binsen und Seggen. Sie sind nicht als Standort für eine Streuobstwiese geeignet.
Bodenfruchtbarkeit
Neben der Bodenbeschaffenheit gibt es noch weitere Faktoren, die sich auf die Fruchtbarkeit des Bodens auswirken. Organische Substanzen, abgestorbene pflanzliche und tierische Stoffe (Humus), beeinflussen die Bodenfruchtbarkeit positiv. Das aus ihnen hervorgehnede Nährstoffangebot nimmt zu, je höher die biologische Aktivität des Bodens ist. Der pH-Wert des Bodens hat Auswirkungen auf die Bodenstruktur und die Lebensbedingungen von Bodenorganismen. Somit ist er ein wichtiger Faktor für die Bodenfruchtbarkeit. Bei einem günstigen pH-Wert werden die Bodenorganismen gefördert und die Nährstoffe des Humus hierdurch bereitgestellt. Günstig wirkt sich ein pH-Wert im neutralen Bereich aus. Bei einem pH-Wert von 6,0 bis7,0 sind im Boden vorhandene Nährstoffe zudem für Apfelbäume pflanzenverfügbar und es werden keine toxischen, im Boden vorhandene Schwermetallione freigesetzt. Auch Kalk ist im Boden für viele positive Funktionen verantwortlich und weist auf eine gesunde Bodenstruktur und Bodenaktivität hin.
Der Wasser- und Lufthaushalt des Bodens hat einen Einfluss auf dessen Fruchtbarkeit. Bodenluft und Bodenwasser werden durch die Größe der Poren beeinflusst. Dabei unterscheidet man Grobporen (>50nm), Mittelporen (0,2-10nm) und Feinporen (<0,2nm). Die Grobporen sind dafür verantwortlich, dass das Wasser gut in die Wurzelregionen abtransportiert werden kann. Zudem versorgen sie die Wurzeln und Bodenorganismen mit Sauerstoff und transportieren entstehendes Kohlendioxid ab. Mittelporen sorgen dafür, dass der Boden durchlüftet wird und können pflanzenverfügbares Wasser speichern. Sie drainen den Boden langsam. Feinporen können Wasser aus tieferen Schichten nach oben befördern und hindern das Wasser durch Kapillarkräfte am Versickern. Kapillarwasser ist sehr gut pflanzenverfügbar. Ist der Anteil an Feinporen wie in humosen Böden und Böden mit einem Tongehalt von 10-30% besonders hoch, stellen diese Böden den Pflanzen viel Wasser zur Verfügung. Wird der Anteil an Feinstporen in bspw. Tonböden jedoch zu hoch, binden diese das Wasser so stark, dass es den Pflanzenwurzeln nicht mehr zugänglich ist. (Fischer 2002)
Standortentsprechende Obstarten
Äpfel kommen mit den meisten Standorten gut zurecht und bieten ein großes Spektrum an unterschiedlichen Sorten, die sich je nach Sorte unter verschiedenen Einflüssen gut entwickeln können. Zudem ist die Verwertungsmöglichkeit auch größerer Mengen an Äpfeln meist gegeben. Es bietet sich von daher an, eine Streuobstwiese zu 60-80% mit Apfelbäumen anzulegen. Ergänzt werden kann mit anderen Obstsorten wie Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Mirabellen und Walnüssen. Birnen lieben wärmere Lagen als Äpfel, daher eigenen sich Orte mit Sonnenwärme und guter Belichtung. Durch ihre frühe Blüte sind sie besonders spätfrostgefährdet; die Bäume als solche sind jedoch frosthart. Sie verkraften Trockenheit etwas besser als Apfelbäume, mögen aber wechselfeuchte und staunasse Böden noch weniger als diese. Pflaumen sind allgemein wenig anspruchsvoll und vertragen auch relativ kühle und feuchte Böden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Ertrag durch Blütenfrost gefährdet wird. Süßkirschen haben auch in höheren Lagen ohne Spätftostgefahr noch erfolgreichen Ertrag und gutes Wachstum. Sie benötigen nicht übermäßig viel Wärme und können auch auf mageren Kalkböden gepflanzt werden. Nicht geeignet sind Standorte mit Staunässe. Walnüsse mögen Hanglagen mit Kaltluftabfluss.
Bei wiederholtem Anbau gleicher Obstsorten an gleicher Stelle kann es zu Bodenmüdigkeit kommen, die Wachstum und Ertrag deutlich mindert. Es zeigen sich Verfärbungen von Wurzelteilen, Reduzierung und Schädigung von Faserwurzeln und ein verkleinertes Wurzelvolumen. Die Ursachen der Bodenmüdigkeit sind komplex und noch nicht vollständig ergründet. Es wird vermutet, dass Wurzelausscheidungen und -reste zu einer allmählichen Veränderung der Bodenflora führen. Gleiche Obstarten sollten nicht an dieselbe Stelle gepflanzt werden. Die Regel ist hier, Steinobst nach Kernobst und umgekehrt zu pflanzen. Alternativ kann der neue Standort um einige Meter verlegt werden - bestenfalls wird ein Standort außerhalb des Wurzelbereiches des Vorgängerbaums gewählt. Wenn ein Baum an einer Stelle gepflanzt wurde, die Nachbauprobleme aufweist, gibt es keine Möglichkeiten mehr einzugreifen. Bodenmüdigkeit kann auch nach längerem Brachliegen einer Fläche auftreten. (Fischer 2002)
Sortenwahl Apfel
Für den Streuobstbau eignen sich starkwüchsige, möglichst ertragreiche Sorten, die neben geringerem Pflegeaufwand robust und wenig anfällig für Krankheiten sind. Eine Grundvoraussetzung für Wachstum und Versorgung der Bäume mit Wasser und Nährstoffen ist eine stark wachsende Wurzel-Unterlage. Die Apfel-Edelsorte wird als Stamm- und Kronenbildner auf eine solche Unterlage veredelt. Zwar zeichnen auch die einzelnen Edelsorten eine individuelle Wüchsigkeit aus, hauptverantwortlich für die Wurzelbildung, die Verankerung des Baumes in der Erde und dessen Wuchskraft ist jedoch die Unterlage. Am besten geeignet für die Streuobstwiese sind Hochstämme auf Sämlingsunterlagen. Diese wachsen direkt aus einem Samen (bspw. Bittenfelder). Sie zeichnen sich durch stärkere Langlebigkeit und Robustheit aus. Als vegetativ vermehrte, stark wachsende Typenunterlage für Hochstämme sind A2 oder M25 geeignet.
Das wichtigste Auswahlkriterium für die Sortenwahl stellt sicher der gewünschte Verwendungszweck als Tafel-, Wirtschafts- oder Mostapfel dar. Sorteneigenschaften wie Aroma und Geschmack, Lagerfähigkeit, Nutzung zum Trocknen, Backen und Kochen oder zur Verarbeitung zu Saft und Wein sind in Zusammenhang mit den unterschiedlichen Reifezeitpunkten Eckdaten für die Sortenwahl. Für den Anbau auf der Streuobstwiese sind jedoch auch andere Faktoren unbedingt zu beachten. Eine wesentliche Rolle hierbei spielt die Befruchtung der Blüten. Da Äpfel selbststeril sind, werden zur Befruchtung immer Pollen von einem Baum einer anderen Sorte benötigt. Aber nicht alle Sorten sind als Befruchtersorten geeignet. Triploide Sorten wie bspw. Bohnapfel, Winterrambour, Boskoop oder Brettacher bilden nur schlecht keimfähige Pollen aus. Bei der Sortenauswahl muss also darauf geachtet werden, dass genügend diploide, gute Befruchtersorten zwischen die triploiden Sorten gepflanzt werden, wie Goldparmäne, Rote Sternrenette, James Grieve, Transparente de Croncels. Bei deren Anordnung sollte die Hauptwindrichtung beachtete werden, so dass der Pollen auch windgetragen noch auf die anderen Bäume übertragen werden kann. Zudem ist es wichtig, dass die Blühzeiten der Bäume aufeinander abgestimmt sind. Eine ausführliche Tabelle zu Befruchtersorten hat der BUND Lemgo erstellt: www.bund-lemgo.de/download
Im Streuobstanbau haben sich regionale, alte Sorten bewährt und sind gut an das jeweilige Klima und die Standortbedingungen angepasst. Viele dieser Sorten zeigen mehr Robustheit im Wuchs und geringere Anfälligkeiten hinsichtlich Baum- und Obstkrankheiten als moderne, für den Plantagenanbau gezüchtete Sorten. Eine Langzeitstudie der Bayerischen Anstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim zeigt auf, welche jüngeren Züchtungen sich für den Streuobstanbau eignen. In den Kategorien Wuchsparameter (Höhe, Kronenbreite, Stammumfang), Vitalität sowie Ertrag und Fruchtqualität schnitten auch moderne Sorten gut ab. In einzelnen Kategorien erzielten einige moderne Sorten bessere Ergebnisse als die alten, klassischen Sorten. Informationen finden Sie in einem Beitrag der Fachzeitschrift Obst und Garten des Landesverbandes für Obstabau, Garten und Landschaft - LOGL - Baden-Württemberg in der Ausgabe 01/2018. Eine Mischung aus alten und neueren Sorten ist insbesondere im Hinblick auf die zukünftigen klimatischen Veränderungen und der hierbei wertvollen Diversität auf der Streuobstwiese sinnvoll. Eine Übersicht mit Informationen zu Standortanforderungen, Erntezeitpunkt, Lagerfähigkeit, Charakteristika und Geschmack ist beim Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee unter www.kob-bavendorf.de/sorten.de zu finden. Weitere Informationen zu Sorten finden Sie beim Pomologen-Verein e.V. www.pomologen-verein.de.
Pflanzabstände
Eine Anordnung der Bäume in Reihen erleichtert die Pflege und Bearbeitung der Anlage. Als Mindestfläche sollte einem Hochstamm 100 m² zur Verfügung stehen. Aufgrund verschiedener Faktoren sind jedoch größere Abstände sinnvoll.
Der Kronendurchmesser eines ausgewachsenen Baumes kann 8 bis 10 m betragen. Ein Kronenschluss ist sowohl für die Baumgesundheit als auch für die Ausreifung der Äpfel nicht zu empfehlen. Zudem werden Baumpflege und Ernte erschwert. Idealerweise beträgt der Abstand zwischen den Bäumen 10-15 Meter, zwischen den Reihen 15-20 Meter. Der Reihenabstand richtet sich jedoch auch nach Größe der bewirtschaftenden Geräte. Größere Reihenabstände tragen zudem zur Entstehung von sonnigen, trockenen Lebensräumen für Wildbienen und anderen Insekten zwischen den Bäumen bei. Um eine gute Belichtung des Unterwuchses zu gewährleisten, sollte eine maximale Dichte von 60-70 Bäumen pro Hektar nicht überschritten werden. Zu Wegen, Nachbargrundstücken und Straßen wird aufgrund besserer Möglichkeit zur Wiesenpflege ein Mindestabstand von 5 - 10 Metern empfohlen, zu Waldrändern und Hecken mindestens 20 Meter. Zu nah am Waldrand gepflanzte Bäume bilden eine ungleichmäßige Krone aus und sind der Gefahr ausgesetzt aufgrund der Verschattung Schaden durch Pilzbefall zu nehmen.
Bei Pflanzung sollten die Bäume 2 bis maximal 4 Jahre alt sein. Pflanzzeitpunkt ist von Oktober bis März. In der Regel werden Obstbäume wurzelnackt gepflanzt, wodurch der Anteil an versorgenden Feinwurzeln bei Pflanzung relativ gering ist. Sind die Bäume zu alt, der Stamm und die mitzuversorgenden Pflanzenteile im Verhältnis zur Wurzelmasse zu groß, dann reicht diese unter Umständen nicht aus, den jungen Baum zu versorgen.
Die Pflanzung im Spätherbst, bei offenem Boden, ist vorteilhaft. Über den Winter, bei Temperaturen über 5°C, bildet der Baum bereits Feinwurzeln, die ihn in der folgenden Vegetationsperiode mit vermehrter Wurzelmasse versorgen und die winterliche Feuchtigkeit vermindert in der Anfangszeit den Aufwand häufigen Gießens.
Ein Pflanzloch mit einem Durchmesser von 90-100 cm und ca. 60 cm Tiefe wird ausgehoben; der Boden nach unten zusätzlich ca. 20 cm gelockert, jedoch vor Pflanzung wieder gut angedrückt um nachfolgende Setzungen zu vermeiden. Die ausgehobene Erde kann mit ein wenig Kompost oder Pflanzerde vermischt werden und je nach Wurzelgröße wird das Pflanzloch wieder aufgefüllt, bis die Veredelungsstelle bei Pflanzung mindestens 10 bis 15 cm über der Erde liegt. Die Edelsorte darf bei Pflanzung aber auch in den nachfolgenden Jahren keinen Kontakt zum Erdreich haben. Folgen könnten die Verwurzelung der Edelsorte sein. Sie hat jedoch nicht die notwendige Wuchskraft der Wurzelunterlage und ist im Erdreich zudem wesentlich anfälliger ist als diese. Der Pflanzpfahl wird der Hauptwindrichtung entgegen in 10-15 cm Entfernung zum Baum in das Pflanzloch geschlagen. Ist der Baum später am Pfahl befestigt, bleibt er bei Windeinwirkung fixiert und drückt sich nicht gegen den Pfahl. Beschädigte, überlange und abgebrochene Wurzelteile werden waagrecht zur Sohle bis auf das gesunde Pflanzenmaterial zurückgeschnitten.
Das Einlegen eines Wurzelschutzes schützt den jungen Baum vor Wühlmausschäden. Der Wurzelschutz wird aus engmaschigem stabilem Draht (ca. 6 x 6 mm) angefertigt, der sich pyramidenförmig um die Wurzel legt, nach unten zum Erdreich hin jedoch keine Begrenzung darstellt. Die Wurzel wird mit Erde umhüllt und diese auch vorsichtig zwischen den Wurzelteilen eingebracht und verdichtet. Sind die Drahtteile eingelegt und am Pflanzpfahl befestigt, wird die restliche Erde aufgefüllt, immer wieder verdichtet, um Setzungen zu vermeiden. Der Baumstamm wird dann mit dem Bindeband am Pflanzpfahl befestigt, fixiert an einen Krampen im Pflanzpfahl. Der Stammschutz wird um den Baum gelegt, mit Draht mehrfach verschlossen und mit Rohrschellen am Pflanzpfahl befestigt. Um den Baum herum wird eine Gießmulde aufgebaut.
Der Pflanzschnitt sollte direkt bei Pflanzung nur im Frühjahr durchgeführt werden. Bei Pflanzung im Herbst werden alle Triebe stehengelassen und in der frostfreien Zeit Ende Winter oder im beginnenden Frühjahr geschnitten. Durch den Pflanzschnitt wird ein gleichmäßiges Wachstum angeregt. Dabei wird das Gleichgewicht zwischen den Wurzeln und der Krone wiederhergestellt. Der Pflanzschnitt und der Erziehungsschnitt in den folgenden Jahren legt die künftige Kronenstruktur fest und stellt somit eine wichtige Grundlage für eine stabile Krone und ein langes Baumleben dar. Eine ausführliche Anleitung zur Pflanzung eines Hochstamms ist auf unserer Homepage zu finden: www.kelterei-kraemer.de/aktuelles/veranstaltungen/online-pflanzkurs
Streuobstwiesenpflege
In den ersten zehn Jahren ist der Erziehungsschnitt absolut unverzichtbar und sollte jährlich durchgeführt werden. Der Erziehungsschnitt ist die Fortsetzung des Pflanzschnittes und dient der Festigung der künftigen Kronenstruktur sowie dem Aufbau stabiler Leitäste. Der Pflegeschnitt an erwachsenen Bäumen soll das Gleichgewicht zwischen Fruchtansatz und Holzwachstum, die Stabilität des Baumes sowie den Kronenaufbau mit Leit- und Fruchtästen erhalten bzw. wiederherstellen.
In längeren Trockenperioden muss regelmäßig bewässert werden. Das ist vor allem bei Jungbäumen in den ersten Jahren nach Pflanzung besonders wichtig. Bei anhaltender Trockenheit kann es je nach Standort notwendig sein, jeden Baum pro Woche mit 70 – 100 L Wasser zu versorgen, das langsam in der Gießmulde einsickert. Im Erziehungs- und Jugendalter sollte die Baumscheibe mit ca. 1m Durchmesser frei von Bewuchs und somit von Wasser- und Nährstoffkonkurrenz gehalten werden. Die Erfahrung zeigt, dass sich Jungbäume mit einer konkurrenzfreien Baumscheibe deutlich schneller entwickeln. Die wirkungsvollste Handhabung der Baumscheibe ist das regelmäßige Harken der Erde. Diese bleibt so feinkrümelig, verhindert Trockenrisse in tiefere Bereiche, die ein Austrocknen tiefer Erdschichten zur Folge haben, und erleichtert bei Wassergabe das Eindringen des Wassers in den Boden. Eine Auflage von Streu ist auch möglich und auch wenig wasser- und nährstoffzehrende Blumen können wilden Bewuchs und Verdunstung hemmen. Streu oder Mulch sollte jedoch in der vegetationsarmen Periode entfernt werden, um Mäusen keinen Unterschlupf zu gewähren. Die Bekämpfung von Mäusen wird durch das Freihalten der Baumscheibe unterstützt; Greifvögel haben freien Blick hierauf. Die Anordnung von Sitzstangen für Greifvögel erleichtert diesen die Jagd und schützt die jungen Leitäste davor zu brechen, wenn sich Greifvögel auf der Suche nach einer Sitzgelegenheit auf ihnen niederlassen.
Die Wiese selbst kann zwei- bis dreimal im Jahr gemäht werden. Wird von innen nach außen oder von einer Seite zur anderen gemäht, so bleibt den Tieren auf der Wiese eine Rückzugsmöglichkeit während des Mähens. Bestenfalls wird die Wiese in mehreren Abschnitten gemäht und vielleicht ein Streifen als dauerhafter Rückzugsort - zur Entwicklung über eine Vegetationsperiode hinweg oder zur Überwinterung - für die Tiere stehen gelassen. Die schonendste Technik für die Fauna der Wiesen sind Mähgeräte mit Schneidetechniken. Bei einer Schnitthöhe über 10 cm werden insbesondere die Tiere der unteren Schichten geschont. Rotationsmähgeräte haben für die Lebewesen auf der Wiese den Nachteil, dass beim Mähen durch hohe Drehzahlen der Messer eine große Sogwirkung entsteht und die Tiere hierdurch in die Maschine eingesogen werden. Mit nachfolgendem Aufbereiter, der das Mähgut nach Schnitt nochmal knickt oder quetscht, haben auch blütenbesuchende Insekten wie Bienen oder Hummeln großen Schaden zu erwarten; werden sie erfasst, überleben sie es nicht oder sind nachfolgend flugunfähig. Generell stellt der Einsatz eines Aufbereiters eine große Gefährdung für alle Tiere und deren Entwicklungsstadien dar. Die größten Verluste erleidet die Tierwelt bei Einsatz von Mulchgeräten, bei denen der Sog ebenso groß ist wie bei den bereits genannten Rotationsmähtechniken und die Tiere durch die zusätzliche Mähgutzerkleinerung wenig Überlebenschancen haben. Vorteil von Mulchgeräten ist, dass nachfolgend kein Schnittgut abgefahren werden muss, da die Zersetzung relativ schnell erfolgt und das Schnittgut wieder durchwachsen werden kann.
Auch eine Beweidung verhindert das Verbuschen der Streuobstanlage. Um die Bäume vor Rindenschädigungen oder Verbiss duch Pferde oder Kühe zu schützen, ist eine ausreichende Einzäunung sinnvoll. Eine andauernde und übermäßige Beweidung durch Pferde hat jedoch eine starke Verdichtung des Bodens zur Folge, für das Wurzelwerk der Bäume ein nicht unerheblicher negativer Faktor.
Nährstoffversorgung und Düngung
Für Jung- und Altbäume hat eine dauerhafte Unterversorgung mit Nährstoffen negative Folgen. Während junge, ertragslose Bäume im Vergleich noch einen relativ geringen Nährstoffbedarf haben, benötigen ältere Bäume mit zunehmendem Wachstum, Pflegeschnitten und Fruchtertrag mehr Nährstoffe. Der Baum setzt die Nährstoffe in Frucht und Pflanzenteile um, die ihm durch Pflegemaßnahmen und vor allem Ernte der Früchte wieder entnommen werden. Bei älteren Bäumen kann dies unter Nährstoffmangel zu einer verfrühten Vergreisung und Mangelerscheinungen an Obst und Blattwerk führen. Abhängig ist der Düngebedarf auch davon, ob die Wiese beweidet beziehungsweise das Mähgut auf der Wiese zurückbleibt oder abgefahren wird. Die benötigten Nährstoffe variieren ja nach Jahreszeit. In der Blütezeit und während des Hauptfruchtwachstums werden die meisten Nährstoffe benötigt. Entsprechend ist eine Düngegabe Ende März bis Mitte April oder im Juni sinnvoll. Schwerlösliche Mineralien wie Phosphor, Kalium, Calcium oder Magnesium sollten im Spätherbst ausgebracht werden, um eine Verlagerung in tiefere Bodenschichten zu gewährleisten, bis sie dort benötigt werden.
Zur Bestimmung der Nährstoffe und eines eventuellen Düngebedarfs ist die Entnahme einer Bodenprobe zu empfehlen. An mehreren Stellen der Anlage werden hierfür aus unterschiedlichen Tiefen des Bodens (0 bis 30 cm) Proben entnommen. das Landesamt für Landwirtschaft Hessen gibt Hinweise zur richtigen Bodenentnahme und hat einen Dienst eingerichtet, Bodenproben in bestimmten Jahreszeiten wöchentlich in den Landkreisen abzuholen: www.llh.hessen.de/pflanze. Das LLH hat eine Anleitung zur Bodenentnahme herausgegeben: probenahme.pdf
Für eine gute Nährstoffversorgung des Bodens sind Stickstoff, Kalium, Calcium, Magnesium und Phosphor sowie die Spurenelemente Bor, Eisen, Mangan und Zink relevant. Es können mineralischen oder organischen Dünger (z. B. Mist, Gülle, Kompost, Hornmehl) eingesetzt werden. Organische Dünger müssen erst von Bodenorganismen abgebaut werden, bis den Pflanzen die Nährstoffe zur Verfügung stehen. Entsprechend sollte die Düngegabe hier einige Wochen früher erfolgen. Mineralische Dünger enthalten direkt pflanzenverfügbare Nährstoffe, deren Aufnahme einzig vom Vorhandensein von Wasser abhängig ist. Die Bäume sollten vor allem im Bereich von Baumscheibe und Kronentraufe gedüngt werden - hier befinden sich dei Hauptwurzeln zur Versorgung des Baumes. Eine Ausmagerung der Wiesen in den Zwischenräumen ist im Hinblick auf einen hierdurch zu erwartenden größeren Artenreichtum der Wiesenflora sinnvoll.
Eine Deutung der Bodenbeschaffenheit über Zeigerpflanzen kann eine ergänzende Hilfe sein und einen ersten Hinweis geben, eine Bodenuntersuchung zu initiieren. Informationen zu Zeigerpflanzen finden Sie hier: zeigerpflanzen.pdf
Nun wünschen wir allen Aktiven viel Erfolg bei der Arbeit auf der Wiese und vor allem viel Spaß und Freude!
Quellenangaben Text:
Apfelanbau. Integriert und biologisch, Manfred Fischer, 2002, Eugen Ulmer GmbH, Stuttgart; Die Streuobstwiese für Praktiker. Wissenswertes zu Anpflanzung und Pflege, Martina Hörmann et al., 2009; Die Wirkung des Mähens auf die Fauna der Wiesen – Eine Literaturauswertung für den Naturschutz, Dennis van de Poel & Andreas Zehm, Anliegen Natur 36(2), 2014, Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL); Düngung im Obstbau. Von der Bodenanalyse zum Düngeplan (Praxisanleitung), W. Richer & S. Sinaj, Agrarforschung Schweiz 8 (6), 2017, Bern; Düngung im Streuobstbau, Markus Zehnder, Jahresheft des Pomologenverein 2010; Eignung verschiedener Maßnahmen zur Freihaltung von Baumscheiben bei jungen Obsthochstämmen, Monika Meyer, Dr. Ulrich Mayr, Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee; Handbuch Streuobstwiesenpraxis. Tipps zur Neuanlage, Pflege und Entwicklung. Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Landesverband Niedersachsen e.V., 2016, Hannover; LBV Praxistipps – Streuobstwiese, Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V., https://praxistipps.lbv.de/praxistipps/streuobstwiese.html; Neue Apfelsorten für den Streuobstbau im Test, Martin Degenbeck, LWG aktuell / 2018, Herausgegeben von: Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim; Pflanzennährstoffe, Alexander Stahr, http://www.ahabc.de/garten/bodenverbesserung/duengung/pflanzennaehrstoffe/; Pflanzung und Pflege von Streuobstbäumen. Naturgemäßer Obstbaumschnitt für die Praxis. Alexander Vorbeck, 2011, Herausgegeben von DVL (Deutscher Verband für Landschaftspflege); Streuobst. Erhalten – pflegen – nutzen, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), 2020, Freising-Weihenstephan; Streuobstbau, Obst & Garten 01/2018; Streuobstwiesen schützen, Heft 1316/2020, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, 2020, Bonn; Streuobstwiesen. Ökologische Bedeutung – Pflege – Nutzung – Förderprogramm, Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz (LfUG), 2002, Oppenheim; Streuobstzüchtung, Obst & Garten Mai 2020; Tipps für den erfolgreichen Streuobstbau, Landratsamt Freudenstadt (Amt für Bau, Umwelt und Wasserwirtschaft – Untere Naturschutzbehörde), 2018, Freudenstadt
Quellenangaben Fotos:
"Binsenwuchs (...)": Johann Georg Sturm/ Jacob Sturm - "Deutschlands Flora" (Wikipedia); "Insekten bestäuben die Blüten (...)" : Martin Bächer (Pixabay); "Greifvogelstange (...)": Schönau-Berzdorf - Neuberzdorfer Höhe, Frank Vincentz (Wikipedia); "Blütenzone der Wiese": Couleur (Pixabay); "Glasigkeit beim Apfel (...)": red58bill (Wikipedia); "Stippe aufgrund von Calciummangel": Rasbak (Wikipedia); "Neuanlage Streuobstwiese", "Lehmhaltiger nährstoffreicher Boden", "Ausreichend hohe Veredelungsstelle (...)", "Gepflanzter Baum mit Gießmulde", "Nach Erziehunggschnitt im zweiten Jahr", Anke Braun; "Standortwahl verschiedener Obstarten", "Pflanzabstände auf der Streuobstwiese", "Pflanzschema Apfelhochstamm", Achim Ruhland.